Martialische Redewendungen im beruflichen Alltag
2021.08.25 | Sven Köppel
Das Thema Sprache ist öfters Gegenstand dieses Blogs: Sowohl natürliche als auch Programmiersprachen werden hier regelmäßig diskutiert. Heute soll es wieder einmal um die natürliche Umgangssprache gehen, wie wir sie vor allem im beruflichen Kontext verwenden. Dabei werde ich mich vor allem auf die deutsche Sprache konzentrieren.
Das willensstarke Geschäftstreffen
In vielen Zusammenhängen gilt immer noch das recht des Stärkeren: Wer seinen Willen aggressiv und furchteinflößend ausdrückt, macht damit klar, dass er es ernst meint, wichtige Ziele verfolgt und gewillt ist, Hindernisse in Kauf zu nehmen. Da die Gewaltausübung in unseren Breiten mittlerweile verpönt ist, sind Drohgebärden wie das Hauen mit der Faust auf den Tisch nicht mehr angebracht. Stattdessen dient Sprache dazu, seine Motivation unter Beweis zu stellen. In diesem Posting wird es um kriegerische und kämpferische Formulierungen gehen, wie sie auch im Gruppensport zum Alltag gehören. Dabei möchte ich stets Alternativen aufzeigen, sich weniger aggressiv auszudrücken. Die Intention ist, die Verwendung von Kraftausdrücken zu reduzieren.
Am Rande: Historisch ist diese Sprache klassischen Männerdomänen zuzuordnen. Sowohl Sport als auch Krieg wird meiner Wahrnehmung nach auch heute noch vor allem von Männern dominiert. Häufig ist Sprache ein probates Mittel, um vermeintlich körperliche Defizite zu kompensieren, also seine Minderwertigkeitskomplexe zu kaschieren. Das Sprecher-Geschlecht spielt eigentlich eine untergeordnete Rolle.
Der tägliche Ballsport im Büro
- Am Ball bleiben: Wer beim Projekt den Faden oder Anschluss nicht verlieren will, hat am Ball zu bleiben. Die harmlosere Variante dranbleiben hat weniger sportliche Konnotation. Warum stattdessen nicht konkretisieren, welche Handlung gemeint ist? Probleme im Blick behalten etwa, oder täglich nach dem Rechten schauen.
- Aufschlag machen: Wer den ersten Entwurf eines Dokumentes macht, der macht den Aufschlag im Pingpong-Tennis der Dokumentenbearbeitung. Obwohl es 2021 ist, werden immer noch Worddokumente mit obskuren Versionsnamen per E-Mail hin- und hergeschickt und die technische Unzulänglichkeit mittlerweile flotten sportlichen Sprüchen übergangen? Vielleicht einfach mal als Alternative: Git benutzen oder weiterhin altertümlich die erste Version schreiben/schicken.
- Den Ball flach halten sollen einzelne oder das Team, um dem Gegner nicht zu viele Informationen zur Verfügung zu stellen. Und das, ohne den Sportsgeist zu verlieren! Der Ball, das steht sinnbildlich für Geschäftsgeheimnisse, Zeugnisse der Arbeit, oder einfach nur der ganzen eigenen Unternehmung. Wer die Öffentlichkeit und Konkurrenz scheut, kann mit dieser Formulierung scheinbar sportlich sein Gesicht wahren. Siehe auch weiter unten Unter dem Radar fliegen. Weniger drakonisch wäre die Formulierung still halten.
- Das Eigentor schießt, wer seinem Geschäftsgegner einen unfreiwilligen Vorteil verschafft hat. Man(n) nimmt es sportlich! Eine Alternative wäre die ehrlichere aber härtere Formulierung geschäftsschädigend.
- Gut aufgestellt ist die eigene Mannschaft, wenn der Chef sich handlungsfähig sieht. Ob sie wirklich alle Kompetenzen abdeckt oder effizient ist, kann ganz sportlich übergangen werden, dafür gibt es ja Hierarchien. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem diversen Team, welches Expert:innen diverser Disziplinien versammelt?
- Den Ball in der Luft halten muss das Team, damit es nicht zum Showstopper kommt. Jetzt muss geliefert werden! Alternative: Shut up and calculate!.
Mit den Kollegen im Schwimmbecken oder auf dem Eis
- Zu viele Themen vor der Brust haben gestresste Manager, die ihren sportlichen Ehrgeiz trotzdem weiterhin unter Beweis stellen wollen. Wie ein Ochse können sie zwar auch mit zu vielen Themen vor der Brust weiterlaufen oder -schwimmen, kommen dabei aber nicht weit voran. Ein ehrliches ich hab zu viel zu tun und bin überfordert mag sich niemand eingestehen, es würde menschliche Schwächen offenlegen. Wäre mal ein Versuch wert!
- Zurückrudern tut, wer seine Meinung ändert oder gar eine 180°-Wende einlegt. Wie immer währt man sportlich sein Gesicht, denn es ist ja alles nicht so ganz ernst gemeint. Hier gibt es keine Alternative, man muss sich leider so ausdrücken als ob man Kassenwart eines Ruderbootvereins ist.
- Go where the Puk is going, not where it has been ist eine englischsprachige Redewendung, die Wayne Gretzky nachgesagt wird. Der Player handelt vorausschauend und motiviert sein Team. Weiter so, Männers!
Mit Krawatte im Fliegerhorst und dsytopischer Technikschmiede
- Unter dem Radar bleiben/fliegen, siehe Den Ball flachhalten weiter oben. Passt auf, nicht vom toten Pferd zu fallen!
Der Bürohengst im Manöver auf dem Schlachtfeld oder hoch zur See
- Das Manöver ist bitterernst und taktisch durchgeführt. Runter vom Sportplatz und ran an die Waffen! Es gilt den Gegner zu verwirren, auszuspielen und letztlich zu eliminieren. Wo Mord und Totschlag den Takt angeben, ist der Sprache nicht mehr zu helfen.
- Wer die Linien absteckt, ist vielleicht schon in Vorbereitung der Friedensverhandlungen. Weiter so!
- Von hinten durch die Brust ins Auge ist eine eher humoristische Umschreibung eines unnötig komplizierten Vorgehens. Der kriegerische Kontext ist wahrscheinlich eher konstruiert, mit kommt die Dolchstoßlegende in den Kopf, aber eigentlich kann man sich so ruhig ausdrücken. Die Welt ist brutal, und so ist es auch das Geschäft. Nicht wahr?
- Einen Überraschungsangriff kann man ruhig einmal fahren. Schließlich geht es am Ende um die feindliche Übernahme.
- Aus allen Rohren schießen tut man, wenn es um Laib und Leben geht. Völlig alternativlos.
- Were schwere Geschütze auffährt, plant den ganz großen Angriff. Immer dann anwenden, wenn eine Börsenübernahme geplant ist.
- Unter Beschuss stehend kann die Gegenpartei sich dann identifizieren. Wir weden angegriffen ist eine weniger blumige Ausdrucksweise.
- Mit gefangen, mit gehangen heißt es schon im Kindergarten. That's it.
- In den Hinterhalt locken kann man den Gegner, wenn man Strategie und Taktik perfektioniert. Süß ist das Gift des Sieges! Hier bieten sich alternativ auch Metaphern aus dem Tierreich an, vielleicht von einer Spinne, die ihren Gegner aussaugt.
Grobes am Pissoir weit unterhalb der Gürtellinie
- Die Mannschaft mit Glied und Gürtel. Frauen sind mitgemeint.
- Wer einen Schnellschuss landet, hat sich vorher wahrscheinlich nicht richtig gedehnt. Oder die Waffe falsch geladen. Nicht gleich die Flinte ins Korn werfen! Die Formulierung hat auch eine voyeuristisch-sexistische Konnotation: Der vorzeitige Samenerguss wird auch gerne mit einem Schnellschuss umschrieben. So verstehen sich Männer ganz ohne Worte. Alternative: Bitte etwas möglichst weit
- Pulver schon verschossen, siehe Schnellschuss
- Zu guterletzt drückt die grobe Formulierung Kameradenschwein eine herbe Enttäuschung aus, welche den Verrat am Korpsgeist zum Ausdruck bringt und gleichzeitig die wunderbare Tierart der Schweine durch den Dreck zieht. Hier bietet sich alternativ etwas wie Zimtzicke oder Dreckskerl an, welches weniger militärisch assoziiert ist. Verräter(in) passt auch ganz inklusiv.
Geplant ist, diese Liste weiterhin fortzusetzen. Letzte Änderung am 25.08.2021.