Mein Zukunftstraum von Silicon Orschel
2022.01.14 | Marius Schmidt
Biontech hat vorgemacht, dass bereits ein einziges hocherfolgreiches High-Tech Unternehmen dem jeweiligen Standort ungeahntes Entwicklungspotential eröffnet. Derart extreme Erfolgsgeschichten sind allerdings eher selten und eine enorme Abhängigkeit vom Erfolg eines Einzelunternehmens auch nicht immer erstrebenswert.
Ich wünsche mir, dass Oberursel zu einem Silicon Orschel von vielen kleinen, mittleren und großen Biontechs, aber auch zu einem europäischen Vorzeigestandort wird, der Menschen, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Umweltbelange smart vereint. Dieser Post ist meine Vision, wie ein Silicon Orschel der Zukunft aussehen könnte.
Gründerheimat
Silicon Orschel ist der Wohnort an dem High-Tech Gründer ihre Reise starten wollen, an dem sie gerne leben und dem sie sich verbunden fühlen und der ihnen beste Bedingung für die schwierige Aufgabe bietet, etwas Neues zu schaffen.
Oberursel ist umgeben von Hochschulen mit MINT Angeboten. Im direkten Einzugsgebiet liegen THM, UAS, Accadis die Universität Gießen und natürlich die Goethe Universität Frankfurt und das FIAS. Genau genommen ist der naturwissenschaftliche Campus Riedberg von Oberursel aus besser zu erreichen als von fast jedem Frankfurter Stadtteil.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, Gründer gründen gerne dort, wo sie leben und lieben und ihr lokales Netzwerk und Freunde haben. Zu gründen ist anstrengend und manchmal überfordernd, umso wichtiger ist das soziale Drumherum. Oberursel ist liebenswert und lädt sehr zum bleiben ein, aber das muss man erst einmal wissen.
In Silicon Orschel wohnen die zukünftigen Gründer im Studentenwohnheim am Orscheler Innovation Campus, der neben dem Wohnheim das Startup Hub und günstige Labs für die erste Gründung beherbergt. Ein Shuttlebus sorgt für gute Anbindung an die umgebenden Unis und Orschels Außengastronomie muss zumindest an Wochenenden nicht schon um zehn leise sein.
Entfaltungsräume
Gute Ideen müssen gedeihen und manches muss einfach in kleinem Rahmen ausprobiert werden. In Silicon Orschel finden interessierte Kinder und Jugendliche nicht nur den richtigen Sport- oder Kulturverein. Auch für diejenigen mit technischem Interesse gibt es tolle Angebote wie Hackerspace und Coder Club in denen man schon früh seine Interessen schärfen kann. Richtig Spaß machen die regelmäßig von der Stadt veranstalteten Hackathons, auf denen Jung- und Alt prototypisch Lösungen für konkrete Probleme entwickeln.
Die Stadtbibliothek wird zur Open Science Bibliothek erweitert und bietet Oberurseler Bürgern online den Direktzugang zu Papers aus Wissenschaft und Forschung, die ansonsten hinter Paywall stehen.
Wo aus dem Hobby vielleicht eine Geschäftsidee wird, ist es leicht, die ersten Schritte zu gehen. Der One-Stop-Shop Silicon Orschels berät zur Rechtsform und ermöglicht die Online Gründung in einem Rutsch. Direkt danach kann man für die ersten zwei Jahre die günstigen Labs am Innovation Campus beziehen und findet dort sogleich die passenden Werkstudenten.
Benachbart zum Campus glänzen Satellite Offices und Coworking Spaces etablierter Firmen, die erkannt haben, dass es unnötig ist, dass der Hochtaunuskreis bis in die Frankfurter Innenstadt fährt.
Das kürzt die Wege zu Silicon Orschels Startup-Hub, wo sich sich regelmäßig alte, neue und zukünftige Gründer mit interessierten Investoren und Firmenkunden austauschen. Aber auch so läuft man sich oft über den Weg. An finanzieller Förderung und Erfolg der lebendigen Orscheler StartUp Landschaft können sich Bürgerinnen und Bürger per Bürgerfonds beteiligen.
Die smarte Stadt
Seit die Verwaltung mit Projekt Phönix auf Open Source Komponenten umgestellt wurde und Datensouveränität erlangte, konnte man die freiwerdenden Lizenzkosten und Daten gut nutzen, um den Bürgerdialog zu vertiefen. Eigenentwicklungen werden gemäß Öffentliches Geld - Öffentliches Gut grundsätzlich gemeinfrei gestellt.
Die Cyberstelle der Stadt nimmt Hinweise auf Bugs und Sicherheitslücken professionell entgegen. Für kritische Erstmeldungen gibt es über das Bug-Bounty-Program der Stadt sogar eine kleine Belohnung.
Ein Meinungsbild der Bürger erhält das Stadtparlament schnell und einfach per Liquid Democracy. Das Freifunk Netz der Stadt sorgt für eine flächig verfügbare WLAN Grundversorgung im gesamten Stadtgebiet, falls der eigene Provider einmal ausfällt.
Die Schnittstellen zur Stadt sind öffentlich und gut verständlich und durch die Stadt erhobene Informationen stehen grundsätzlich als Open Data bereit. Freie Parkplätze, Schadstoffsammlung oder Altkleidercontainer werden ebenso interaktiv angezeigt, wie künftige Baustellen oder Entwicklungsmaßnahmen. Die spontane Mitfahrgelegenheit zum Einkauf ergibt sich per digital ausgestrecktem Daumen.
In Eigenregie konnte die Orscheler Bürgerinitiative pro Windkraft per Digital Twin der Stadt die besten Standorte für Windkraftanlagen bezüglich Wirkungsgrad und Lärmbelastung einfach vorab simulieren. Die anonymisierte Standortanfrage an den Grundstückseigentümer wurde direkt im Nachgang per digitalem Kataster übermittelt.
Aber auch der Stadt selbst hilft der Digital-Twin. Seit Erfassung der Wärmedaten an tausenden Messpunkten kann die Stadt bei eigenen Bauvorhaben die wärmetechnischen Belastungen im Detail berücksichtigen. Mülltonnen melden Ihren Füllstand selbst und erlauben dynamische Leerungsplanung.
Funk-Wasseruhren erlauben den perfekten Überblick über Wasserverbrauch, Leckagen und Reserven und Feuchtigkeitssensoren zeigen auf, welche Grünflächen leiden. Straßenlaternen reagieren auf Bewegung und schalten bei wenig Betrieb ab. Ohnehin wurden aber vielerorts bereits biolumineszente Bäume gepflanzt, die auf umweltfreundliche Art und Weise für eine Grundbeleuchtung sorgen.
Zum Weiterlesen
- Die Stadt Münster betreibt ein Open-Data Portal
- Startup-Hubs gibt es zum Beispiel in Münster oder Tallinn, oder universitär als Startup Programme wie Goethe Unibator oder an der TU München das Unternehmertum.
- Warum wir Open Science brauchen und warum es Schattenbibliotheken gibt.
- Es existieren sogar weltweite Open-Source Ansätze für Smart Cities wie beispielsweise Fiware
- Der Hackerspace FFM e.V. hat eine Adresse in Oberursel ein Code Club für Software fehlt meines Wissens in Orschel noch.
- Die Bundesverwaltung der Schweiz zeigt sich im Review des Bug-Bounty Programms zufrieden.
- IT-daily gibt einen kurzen Einstieg in Digital Twins für Smart Cities